Kegeln

Werner Doering
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VfB Hermsdorf e.V. Kegelabteilung





Ist nichts passiert - beim Kegeln - seit der letzten Rot-Weiss, oder doch?

Der Wolfgang-Schubbert-Pokal ist vergeben, nach 5 Jahre jeweils einmal im Quartal ausgespielt, ein ziemlich langer Weg.
Dieter Donnig hat den ‚Einen’ gewonnen und etwas später habe ich den ‚Anderen’ erkämpft. Erst nach einem Stechen in der Kegelpinte mit Mario, der sich im Endspurt der letzten Male ebenfalls 5x darauf verewigen konnte, war er mein.
Was noch:
Die Fahrt nach Werder, aus Anlass unseres 60-jährigen Bestehens der Kegelabteilung, wird in der nächsten Ausgabe ausführlicher geschildert. Die Zeit war etwas knapp.
Und nun? Vielleicht mal etwas anderes:

EPO - Kurzschluss

Es schien ein Kampf wie schon so oft zu werden. Nach lang anhaltender Führung waren wir ausgebrannt und es blieb nur noch eine Kugel bis zum knappen Sieg des Gegners.
Mit der Kugel in der Hand sah ich neben mir, wie der letzte Wurf des siegessicheren Tagesbesten auf der Bahn landete und ihren Lauf nahm. Niedergeschlagen, dennoch aufgewühlt von den 99 Konzentrationsakten zuvor, verhielten sich meine Nerven wie die Sehne eines abgeschossenen Bogens, sie vibrierten in ihren Kanälen.
Und da musste es passiert sein: Das Licht flackerte mitten in meinem Anlauf und die Welt blieb stehen. Wie nach einer Explosion versank alles um mich herum in tiefe Stille, kein Laut von den sonst polternden Kugelfängen, kein Wegspritzen der Kegel, keine Rufe von den Leuten hinter den Scheiben

- N I C H T S –

einfach nichts rührte sich mehr, nichts machte ein Geräusch, aber alles war noch da.

Ich war mitten in der Bewegung verharrt, im letzten Schritt und die Kugel hing mehrere Zentimeter hoch in der Luft, als ich mich nach den ersten Schrecksekunden verwirrt aufrichtete und mich umdrehte.
Ein grausamer Anblick erschütterte mich, denn wie in einer Slapstickszene starrten alle ohne die geringste Zuckung aus der Kabine in meine Richtung, wobei sie eigenartige Stellungen einnahmen, die ich mir zunächst nicht erklären konnte. Nachdem ich mich ein wenig beruhigt hatte, merkte ich, dass sie eigentlich an mir vorbei auf die Bahn schauten und die skurrilen Haltungen nur durch das abrupte Stoppen in den einzelnen Bewegungen zustande gekommen waren.
Ich musste mich erst mal setzen. Doch ich näherte mich nicht ein Stück dem Boden. Obwohl ich schließlich die Beine angezogen hatte, verlagerte sich mein Schwerpunkt nicht nach unten. Egal, langsam umhergehend, gegen einen unsichtbaren Widerstand kämpfend und dabei meine Mannschaftskameraden ungläubig von Nahen betrachtend, versuchte ich mir meine Lage zu erklären.
Eine Art Kurzschluss in meinem Nervenkostüm musste meine Sinneswahrnehmung und Muskelsteuerung mehr als vertausendfacht haben. In den vergangenen Minuten hatte ich eine leichte Veränderung im Gesamtbild wahrgenommen, Millimeter nur, aber merklich. Die Münder in den Gesichtern hatten sich leicht verändert und meine losgelassene Kugel war der Bohle ein wenig näher gekommen. Die Welt war nicht stehen geblieben, ich tickte nur zu schnell.
-
Was könnte ich jetzt alles tun, mit meiner neuen ‚Superman’ - Fähigkeit, alles könnte ich tun, mehr als meine Träume mir jemals hätten geben können. Doch nur Sekunden später wurde mir bewusst, ich würde allein sein auf der Welt, oder mich zu Tode langweilen, wenn ich mit jemanden Kontakt aufnehmen wollte. Zudem machte mir der Luftwiderstand schon beim langsamen Rumlaufen sehr zu schaffen. Mir wurde je schneller ich ging immer heißer auf der Haut und die Luft fühlte sich schon nicht mehr wie Wasser, sondern mehr wie heißer Schlamm an. Ich wollte einen Schluck Bier trinken, aber ich konnte nur ein Stück gelben, nach Bier schmeckenden Gelee aus dem Glas heraus operieren.
Wie komme ich wieder in die normale Welt zurück? Ich hatte keine Überlebenschancen, ich würde verdursten und verhungern!
Wenn der Auslöser die Überlastung durch die Niederlage und die übersteigerte Konzentration war, dann könnte vielleicht ein Entspannen und sich glücklich fühlen den Prozess umkehren.
Also was tun?
Zunächst einmal du dummer Ochs’: Die fatale Kugel in ihrem Lauf hält selbst ein Supermann-Esel auf.
Ich verbrannte mir beim Laufen die Schuhe, denn ich musste mich beeilen, um den Einschlag der gegnerischen Kugel noch manipulieren zu können. Das Rauschen in den Ohren und die Hitze untern den Sohlen wurde durch die schnellen Bewegungen hervorgerufen. Die Reibungswärme wurde langsam gefährlich. Hoffentlich durchbrach ich nicht die Schallmauer, denn das würden dann wohl alle mitbekommen.
Ich nahm die Kugel - na ja, ´ne Acht wäre es wohl geworden - und platzierte sie fein säuberlich einfach in der Rinne. Dann lief ich gemütlich auf meine Bahn zurück, brachte mich in die Stellung, die meiner in Kürze abgeschobenen Kugel entsprechen konnte und versuchte, mich zu entspannen.
Da die Luft sich wie eine heiße Sanddüne anfühlte und die Schwerkraft mehr einer leichten Brise entsprach, war meine Haltung gar nicht so unbequem, einfach entspannen und glücklich sein, redete ich mir ein. Mit dem sicheren Gefühl des kommenden Sieges in dem zementartigen Moorbad der Luft merkte ich, wie ich langsam loslassen konnte und mich wirklich entspannte.
Die nun folgende Explosion des Lebens überraschte mich beim Meditieren derart, dass ich meine zuvor angedachte Wurfbewegung nur mit Mühe zu Ende bringen konnte, ohne dabei auf die Gusche zu fallen. Alles war wieder da, Bewegung, Lärm, Geruch und auch das Gefühl mit dieser verstolperten Kugel nun den Kampf doch noch zu verlieren.

Glücklichweise war die Flieger-Vier völlig ausreichend, den geschockten Beinahe-Tagesbesten mit seiner unglaublichen Schluss-Ratte, noch die Butter vom Brot zu nehmen.
Wir hatten gewonnen!
Der Geruch von verschmortem Gummi hing in der Luft zusammen mit dem unerwarteten Siegesgeschrei meiner Kameraden.

Ich erzählte keinem von meinem eigenartigen internen Kurzschluss, beteiligte mich an den wilden Spekulationen über des Gegners Ratte und verwies nur bedauernd auf meine ebenfalls unerklärliche Schluss-Vier. Zitternd und bleich konnte ich nicht mal an der Siegesfeier teilnehmen. Wochenlang hatte ich mit dem Muskelkater zu tun, der durch das Supertempo hervorgerufen worden war, mein ganzer Körper musste seine Reserven wieder aufbauen, es war schlicht eine einzige Qual.
Seit diesem Kampf verweigere ich die Höchstkonzentration, der ich vielleicht fähig bin, denn wenn man derart gedopt (Enzephalitischer Potenz Orgasmus) nicht mal mehr gesellig nach dem Kampf ein Bier trinken kann, was hat man dann noch vom Leben.
Gut Holz!
Stefan Wenzel